Elektromobilität der Zukunft
Einfach loslegenElektromobilität ist das Thema der Stunde. Als Leiter von Linde eMotion weiß niemand das besser als Wolfgang Klüpfel. Er und sein Team nutzen die elektrischen Serienantriebe von Linde-Gabelstaplern und machen sie für andere Fahrzeuge nutzbar. Im Interview erzählt Klüpfel, welche Projekte besonders kniffelig sind, warum die Elektrifizierung bei Unternehmen manchmal vernachlässigt wird und welche Technologie alle Probleme der Elektromobilität lösen könnte.
Herr Klüpfel, was ist das Beste an Ihrem Job?
Einfach alles an meinem Job macht großen Spaß. Eine abwechslungsreichere Arbeit kann man sich kaum vorstellen. Wir entwickeln technische Lösungen, arbeiten eng mit Kunden zusammen, sind für den Vertrieb verantwortlich und können spannende Marketingaktionen auf die Beine stellen. Das Spektrum meiner Aufgaben ist also extrem breit, langweilen muss ich mich nie. Obwohl wir Teil einer großen Firma wie Linde Material Handling sind, herrscht bei uns eine ausgeprägte Start-up-Mentalität. Das ist sehr erfrischend.
Was war Ihr bisheriges Lieblingsprojekt bei Linde eMotion?
Die E-Karts, die wir zusammen mit dem italienischen Kart-Hersteller CRG entwickelt haben. Bei diesem Projekt hat einfach alles gepasst. Wir haben den gesamten elektrischen Antrieb konzipiert und konnten alles genauso umsetzen, wie der Kunde es sich vorgestellt hatte. Während der Testphasen und Inbetriebnahmen erlebten wir spannende Probefahrten mit den Karts und haben viel dabei gelernt. Die Karts waren für alle Beteiligten ein voller Erfolg und drehen nach wie vor weltweit ihre Runden auf Leihkartbahnen. Die Arbeit an den E-Karts zeigt sehr gut die drei Hauptaspekte, die ein Projekt für uns haben muss: Die Technik ist spannend und innovativ, das Projekt ist kommerziell sinnvoll und die Marketingwirkung ist unbestreitbar.
Was war die härteste Nuss, die eMotion-Ingenieure bisher zu knacken hatten?
Das ist schwer zu sagen. Projekte sind immer dann kompliziert, wenn wir Fahrzeuge elektrifizieren sollen, mit denen wir bislang noch nichts zu tun hatten. In jeder Branche gelten andere Richtlinien, Normen und Anforderungen, an die wir unsere Technik und unsere Unterlagen anpassen müssen. Bei Baumaschinen gelten andere Bestimmungen als bei Landmaschinen, bei Kommunalmaschinen andere als bei Personenkraftwagen.
Das ist eine große Herausforderung, aber bisher haben wir es jedes Mal optimal hinbekommen. Im Jahr 2011 haben wir beispielsweise für die Firma Karabag einen Fiat 500 mit elektrischem Antrieb ausgestattet, der problemlos die TÜV-Abnahme bekommen hat.
Elektromobilität ist derzeit ein breit diskutiertes Thema, von dem gesellschaftlich ein gewisser Handlungszwang ausgeht. Spüren Sie das im Geschäftsalltag?
Wir bemerken, dass sich mehr Branchen mit Elektromobilität beschäftigen. Das bildet sich auch in den Kundenanfragen ab, die wir in letzter Zeit erhalten. Die Bau- und Landmaschinenindustrie beschäftigt sich aktuell sehr intensiv mit dem Thema. Im Vergleich zu Linde, wo wir seit 45 Jahren elektrische Serienantriebe bauen, haben diese Branchen noch jede Menge nachzuholen. Auf Messen sieht man zurzeit viele Pilotprojekte für Elektrofahrzeuge, aber nur wenige davon gehen auch tatsächlich in Serie. Die Unternehmen probieren vieles aus, aber dass sie Baureihen im großen Stil auf elektrische Antriebe umrüsten, kommt bislang noch selten vor.
Woran liegt das?
Weil diese Unternehmen, wie alle anderen auch, auf die wirtschaftliche Lage reagieren. Sobald sich Konjunkturdellen abzeichnen, werden Innovationsprojekte erstmal zurückgestellt. Wenn die Wirtschaft zu schlingern droht, konzentrieren sich Fahrzeughersteller auf ihr Standardgeschäft, das in der Regel vom Verbrennungsmotor lebt. Das ist ganz normal. Unternehmen müssen Geld verdienen, und Geld verdient man eben mit bewährter Technik, bei der man Prozesse und Produktion im Griff hat und die Entwicklung beherrscht. Alles andere muss dann warten.
Linde ist bei der Elektrifizierung schon einen Schritt voraus, ebenso wie einige Autobauer. Gibt es da Synergien?
PKW und Nutzfahrzeuge sind traditionell unterschiedliche Industriezweige, und das wird auch in Zukunft so bleiben. Natürlich baut man bei Elektromobilität auf der gleichen Technologie auf, aber die Automobilindustrie und ihre Zulieferer haben typischerweise andere Entwicklungsziele. Neue Automodelle sollen schnell auf den Markt kommen, in großer Stückzahl produziert werden und für die Privatkäufer erschwinglich sein. Aus diesem Grund entwickeln die Automobilisten ihre Technologie größtenteils auf eigene Faust weiter. Austausch gibt es natürlich trotzdem, beispielsweise über den Deutscher Maschinen- und Anlagenbau oder die Forschungsvereinigung Antriebstechnik. Das ist interessant und lehrreich, nützt der eigenen Entwicklungsarbeit aber nicht immer.
Wie schätzen sie den Stand der Technik ein? Sind bald alle Fahrzeuge elektrisch unterwegs?
Derzeit konzentriert sich viel Entwicklungsarbeit auf die Akkuleistung. Aber umfassende Elektromobilität, die rein auf Batterietechnik fußt, ist nach heutigem Stand der Technik nur zum Teil möglich. Zum einen können wir nicht genug Energie für alle zur Verfügung stellen, zum anderen laden die Batterien nicht schnell genug. Die Akkus eines E-Autos zu laden dauert mindestens zehnmal länger, als einen Tank zu befüllen. Und wir alle wissen, dass es zu Stoßzeiten auf Autobahnen sogar schon problematisch sein kann, ohne lange Warteschlangen Benzin oder Diesel zu tanken.
Aus meiner Sicht gibt es vor dem Hintergrund des Klimawandels nur wenige technisch sinnvolle Lösungen.
Wolfgang Klüpfel, Leiter von Linde eMotion
Welche wären das?
Zum Beispiel Brennstoffzellen-Hybriden. Das sind Antriebssysteme mit einer Wasserstoff-Brennstoffzelle und einer Lithium-Ionen-Batterie. Ein Brennstoffzellen-Fahrzeug ist ein Elektrofahrzeug, nur eben mit Wasserstoff als Energiequelle. Mit Strom aus erneuerbaren Energien lässt sich Wasserstoff CO2-neutral im Elektrolyseverfahren herstellen. Die Brennstoffzelle wandelt den Wasserstoff in elektrische Energie um und treibt damit den Elektromotor des Fahrzeugs an. Die Batterie dient als Pufferspeicher. Sie kann die nötige Spitzenleistung liefern, ist also dynamischer als die Brennstoffzelle. Dieser Antrieb ist komplett klimaneutral.
Wie lässt sich diese Technologie in den Verkehrsalltag integrieren?
Für Kurzstrecken wäre die Energiedichte der Lithium-Ionen-Batterie vollkommen ausreichend, auf Langstrecken würde man an Wasserstofftankstellen tanken. Das wäre ein komplett grünes Mobilitätsmodell, das die Autofahrer problemlos akzeptieren könnten, weil sie wie gehabt einfach ihren Tank volllaufen lassen. Die Tankstelleninfrastruktur müsste man natürlich erst noch schaffen, aber das ist nicht wesentlich komplizierter als bei Diesel und Benzin. Die technologischen Grundlagen sind allesamt vorhanden. Man müsste einfach loslegen.
Bis wann könnte es soweit sein?
Der Verband der Automobilindustrie und der Verband der Maschinen- und Anlagenbauer gehen davon aus, dass Hersteller um das Jahr 2030 größere Mengen von Brennstoffzellenfahrzeugen auf den Markt bringen können. Im Logistikbereich, etwa bei den Gabelstaplern von Linde, nehmen wir bereits heute eine verstärkte Nachfrage wahr. Das liegt daran, dass die Industrie nicht erst das Problem einer deutschlandweiten Tankstelleninfrastruktur lösen muss. Mit einer einzigen Wasserstofftankstelle auf dem Werksgelände können Unternehmen ihre komplette Fahrzeugflotte betanken.
Wo stehen Linde und eMotion beim Thema Brennstoffzellen?
In Europa war Linde das erste Unternehmen unserer Branche, das sich mit dieser Technologie befasst hat. Seit dem Jahr 2000 gibt es einsatztaugliche Lösungen. Langsam, aber stetig fangen die Kunden an, Brennstoffzellen-Hybriden als Zukunftsmodel der E-Mobilität wahrzunehmen. Dafür sind wir bereit.
Herr Klüpfel, wir danken für dieses Gespräch.