ROTRAC E2 und E4 von Zwiehoff mit Antriebstechnik von Linde
Draisinen für das 21. JahrhundertBis zu 500 Tonnen im Schlepptau
Bei Draisinen denkt man unweigerlich an historische Fahrzeuge aus der Pionierzeit der Eisenbahn. Dabei sind sie ein unverzichtbares Werkzeug im modernen Schienenverkehr. Zum Einsatz kommen sie, wenn Triebwagen und Waggons in Verladebahnhöfen, Waschanlagen oder Werkstätten rangiert werden müssen. Denn dafür braucht man äußerst starke und flexible Zugmaschinen. Im Gegensatz zu den historischen Vorläufern werden diese nicht von Hand bewegt, sondern von leistungsstarken Motoren des 21. Jahrhunderts.
Das dachte sich auch der
Zweiwege-Spezialist Zwiehoff
und beauftragte Linde eMotion damit, die Fahrzeuge ROTRAC E2 und E4 mit elektrischem Antrieb auszustatten. Gesagt, getan: Die bewährte Staplertechnik von Linde Material Handling wurde 1:1 auf die Zweiwege-Rangiergeräte angewendet. Zweiwege bedeutet hierbei, dass die Fahrzeuge sowohl auf Gleisen, als auch auf Straßen fahren können. Die kompakte und effiziente Lösung überzeugte sogar eine Fachjury, welche die beiden Fahrzeuge wegen ihres hohen technologischen, wirtschaftlichen und ökologischen Nutzwertes mit dem Industriepreis 2013 auszeichnete.
Bei der Entwicklung haben wir nach einem Partner gesucht, der sowohl über qualitativ sehr hochwertige Serienkomponenten verfügt, als auch seit Jahren im Bereich der Elektromobilität zuhause ist.
Stephan Zwiehoff, Geschäftsführer bei G. Zwiehoff GmbH
Abgasfreie Kraftpakete
Linde eMotion entwickelte auf Basis der Spezifikationen von Zwiehoff zunächst den ROTRAC E2. Die elektrische Antriebstechnik und Komponenten stammen hierbei komplett aus der Serienproduktion von Linde: angefangen bei den zwei elektromechanischen Antriebsachsen, über die Umrichter und die Ladeschaltung bis hin zur Steuerung. Damit entstand bis dato ein nicht bekanntes Fahrzeugkonzept. Die Leistungen sind überraschend: Das äußerst kompakte Fahrzeug schleppt bis zu 250 Tonnen.
3 ½ Tonnen weniger Diesel
Elektrische Rangiergeräte schonen die Umwelt und senken die Energiekosten. Eine Rangierlokomotive mit Dieselaggregat verbraucht beim Vorwärmen bereits 20 Liter und im Rangierbetrieb sogar etwa 150 Liter pro Stunde. In der Summe lassen sich mit dem ROTRAC pro Tag rund 3,5 Tonnen Kraftstoff sparen.
Das Nachfolgemodell, der ROTRAC E4, basiert auf dem ROTRAC E2. Mithilfe leistungsstärkerer Staplerkomponenten schafft er jedoch doppelt so große Anhängelasten bis zu 500 Tonnen. Beide Fahrzeuge arbeiten dank des Elektromotors emissionsfrei. Die Produktion übernahm die Linde-Tochter Proplan.
Einfache und effiziente Handhabung
Die Fahrzeuge lassen sich bequem per Fernsteuerung lenken. Hierbei kann der Bediener entweder neben dem Fahrzeug mitlaufen, sich auf eine Trittstufe stellen oder sich innerhalb des gezogenen Schienenfahrzeugs aufhalten. Besonders praktisch: Bei einem erforderlichen Gleiswechsel kann das Fahrzeug auch außerhalb der Schienen fahren. Für höchste Energieeffizienz sorgt dabei eine Energierückgewinnung. Für reibungslose und schnell beschleunigte Anfahrten verfügen die Fahrzeuge zudem über eine Boostfunktion.
Cleveres Konstruktionsprinzip
Spurensicher unterwegs
Das Entgleisen von Rangiergeräten bedeutet Betriebsstillstand und möglicherweise sogar Material- oder Personenschaden. Die Gefahr besteht besonders bei erhöht liegenden Gleisen. Die nachregelnde Pendelachse des ROTRAC wird konstant überwacht, ermöglicht einen präzisen momentfreien Ausgleich zwischen den Schienenrädern und regelt bei Bedarf selbständig nach. Das senkt das Entgleisungsrisiko.
Das Konstruktionsprinzip der Fahrzeuge sollte möglichst unkompliziert sein. So wurde beispielsweise durch den vollsynchronisierten Einzelradantrieb auf spezielle Lenkkomponenten verzichtet. Stattdessen drehen die Reifen zum Steuern einfach gegenläufig. Dies ermöglicht einen besonders kleinen Wendekreis von unter einem Meter beim Manövrieren außerhalb von Gleisen. Durch den Wegfall zusätzlicher Bauteile sinken zudem auch die Investiotionskosten für Anwender.
Sicherheit nach hohem Linde-Standard
Auch in puncto Sicherheit haben die Fahrzeuge Einiges zu bieten: hohe Bodenfreiheit, Rangiertritte und Haltebügel, eine Eisenbahnwagen-Bremsanlage sowie eine automatische Temperaturregelung zum Schutz vor Überhitzung. Eine Besonderheit ist auch die nachregelnde Pendelachse, die Entgleisungssicherheit gewährleistet.
Die Fahrzeuge im Detail
ROTRAC E2
Der ROTRAC E2 verbindet eine äußerst kompakte Bauweise mit enormen Zugkräften.
- Dienstgewicht: ca. 3800 Kilogramm
- Abmessungen: ca. 2.300 x 1.800 x 1.300 mm
- Antriebsmotoren: 4 x 5,5 kW Nennleistung
- Batterie: 48 V, 620 Ah
- Maximale Anhängelast: 250 Tonnen
- Gummiantriebsräder: 500 mm
- Wenderadius bei Straßenfahrt: 0,9 Meter
ROTRAC E4
Der ROTRAC E4 schleppt im Vergleich zum ROTRAC E2 die doppelte Anhängelast.
- Dienstgewicht: ca. 7.500 Kilogramm
- Abmessungen: ca. 3.700 x 1.858 x 2.250 mm
- Antriebsmotoren: 4 x 12,5 kW Nennleistung
- Batterie: 80 V, 930 Ah
- Maximale Anhängelast: 500 Tonnen
- Gummiantriebsräder: 780 mm
- Wenderadius bei Straßenfahrt: 2,5 Meter
Der ROTRAC im Einsatz
Einer der ersten Anwender des ROTRAC E2 war die Deutsche Bahn. Das Unternehmen nutzt die Fahrzeuge nicht nur für den regulären Rangierbetrieb an einigen seiner Standorte, sondern als Pilot in einem Projekt rund um den vollautomatisierten Bahnbetrieb der Zukunft. Das Unternehmen hat gemeinsam mit Partnern in Paderborn ein entsprechendes Pilotprojekt zum automatisierten Rangieren durchgeführt. Bisher erfolgt das Markieren der Güterwagons einzeln und per Hand, bevor sie per Diesellok auf das richtige Gleis bewegt werden. In Zukunft soll das Rangierfahrzeug vollständig automatisiert arbeiten – rund um die Uhr mit höchster Präzision und Effizienz.